Stellungnahme zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes

Berlin, den 31.03.2022

Betreff: Unsere Stellungnahme zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Claudia Roth!

Gerne möchten wir die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen unsere Gedanken zur anstehenden Novellierung des Filmfördergesetzes mitzuteilen. Diese Gedanken zielen auf eine grundsätzliche Neufassung des FFG, nicht auf eine Überarbeitung des Altbekannten. Wir wollen dem FFG an die Wurzeln gehen.

Die Mitglieder unserer Initiative geben in diesem Jahr aus der jeweiligen Perspektive wieder ihre einzelnen, wohlbegründeten und im Rahmen des Möglichen konstruktiven Stellungnahmen zur Novellierung des FFG ab. Dennoch erfolgen diese Stellungnahmen wider bessere Überzeugung. Denn es ist nicht allein der Eindruck vieler Beteiligter, dass man alle Jahre den im Prinzip identischen Text um die jeweils neuesten Zahlen aktualisiert wieder ausdrucken und der BKM vorlegen könnte – weil auch die grundsätzlichen Probleme mit jeder Novellierung mitgeschleppt werden, nur dass sie auch mit jeder Novellierung wachsen. Dazu kommt, dass seit Jahren mit zunehmender Dringlichkeit geäußerte Vorschläge und Änderungswünsche unberücksichtigt blieben, vielleicht auch nicht wirklich verstanden wurden. Wir sind der, aus Erfahrung und Detailkenntnis begründeten, Überzeugung, dass das FFG nicht zum Besseren des deutschen Films und der deutschen Kinosituation reformierbar ist.

Wir können nicht mehr an das Klein-klein immer neuer Reförmchen glauben. Auch ein wie immer „verbessertes“, novelliertes FFG wird unter den bekannten Problemen, den eingebauten Widersprüchen und dem großen Gewicht der Altlasten leiden. Das vorhandene FFG ist nicht reformierbar und nicht verbesserbar! Nur ein von Grund auf neues Filmfördergesetz wird den modernen Ansprüchen an ein solches Gesetz gerecht. 
Bereits beim Prozess zur Novellierung zum 1.1.2014 wurde offiziell die Idee und Dringlichkeit einer kompletten Neuschreibung des FFG diskutiert, ebenfalls in den Verfahren zu den Novellierungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2022. Immer gab es (mehr oder weniger gute) Gründe, diesen Schritt (noch) nicht zu gehen. Wir hoffen und glauben aber, dass mit Ihnen dieser Aufbruch und Neuanfang nach 55 Jahren Filmförderungsgesetz gelingen könnte.

Das momentan geltende Filmfördergesetz stammt in seiner inhaltlichen Ausrichtung aus dem Jahr 1967! Aus heutiger Sicht war dies gerade einmal die Halbzeit der Filmgeschichte. Seitdem ist viel geschehen. In der Filmgeschichte, der Filmkunst, wie in der Gesellschaft. Erst danach kamen der „Junge deutsche Film“, das „New Hollywood“, all die „Neuen Wellen“ aus Asien, Lateinamerika, aus arabischen und afrikanischen Ländern. Erst lange danach kamen Multiplexe, Surround-Tonanlagen und die Digitalisierung aller Bereiche des Films. Erst danach kamen das Internet, die Globalisierung der Filmproduktion, der Distribution, der immer öfter weltweit synchronisierten Rezeption und die globalen Streamingplattformen.

All dem, wie auch den neuen Anforderungen der Filmbildung und der Erhaltung des Filmerbes wird das bestehende FFG nicht bzw. nur unzureichend gerecht. Weil diese Zukunft – unsere Gegenwart – damals noch gar nicht mitgedacht werden konnte.


Wir sind überzeugt: Nach 55 Jahren ist es an der Zeit, das Gesetz nicht nur zu novellieren, sondern es neu zu schreiben und damit auf die Höhe einer neuen Gegenwart zu bringen. Wir hoffen, sehr geehrte Frau Staatsministerin, dass auch Sie sich für die Chancen begeistern lassen, die in der Möglichkeit liegen, ein solches Gesetz im engen Austausch mit der Branche neu zu formulieren. 

Die „Initiative Zukunft Kino+Film“ hat sich seinerzeit gegründet um aus einem möglichst breiten Branchenbündnis heraus die grundsätzlichen Probleme und Herausforderungen unverblümt zu benennen und Strukturen nachhaltig zu verändern. Wir verweigern uns einem Prozess, der nur der Erhaltung des Bestehenden dient und würden lieber zusammen mit Ihnen und der Branche ein ganz neues Kapitel aufschlagen.

Jederzeit und sehr gern machen wir konkrete Vorschläge für eine Neufassung des FFG. Dem 
Prozeß vorausgehen muss aber eine inhaltlichen Positionierung der BKM, die gegenüber dem üblichen Klein-klein eine neue Qualität bedeutet, eine kulturpolitische Geste, hinter die keiner mehr zurückgehen kann. Wir möchten wissen, was aus Ihrer Sicht kulturpolitisch möglich und gewünscht ist. Dem voran könnte als erster Zwischenschritt eine Art Memorandum of Understanding der BKM stehen, das die politischen Leitlinien eines solchen Prozesses skizziert und der Branche möglichst transparent benennt.

Wir verstehen die immer wieder von der Politik an die Branche herangetragene Aufforderung, ihnen Vorlagen zu liefern, um diese dann an Runden Tischen möglichst breit zu debattieren. Aus unserer Sicht funktioniert das aber nicht mehr, weil der Rahmen nicht mehr stimmt.  
Ein Rückzug der Kulturpolitik in die Rolle einer rein moderierenden Instanz führt in der jetzigen Situation nicht mehr weiter. Der Wunsch, dass entsprechende, am liebsten mehrheitsfähige Verbesserungsvorschläge doch „aus der Mitte der Branche“ kommen müssten, greift zu kurz. Es liegt in der Verantwortung der Politik, aktiv handelnd neue und zukunftsweisende kulturpolitische Rahmenbedingungen zu schaffen. Nötig ist – wie ja auch in anderen Fragen der Zukunftsgestaltung – eine klare Positionierung der Exekutive. Und alle entsprechenden Vorschläge liegen zumindest in groben Zügen seit Jahren vor. 

Hier nun ist eine Entscheidung der Politik gefordert. Denn eine solche Entscheidung wird wehtun – vielleicht auch uns. Sie wird sich öffentlich begründen müssen. Denn sie wird in jedem Fall auch eine Entscheidung über das Verhältnis von Kultur und wirtschaftlichen Zwängen sein, eine Entscheidung darüber, ob weiter die wenigen großen Verbände und Firmen den Ton angeben, oder auch Unabhängige, Ehrenamtliche, oft marginalisierte Film- und Kinoschaffende abseits des Mainstreams als Teil der Branche ernst genommen und mit ihren Anliegen in den Gesetzen repräsentiert werden. Es ist auch eine Entscheidung darüber, wie viel Freiheit, Unabhängigkeit, Experiment und Neugier sich Deutschland in der Filmkultur leisten will. Ohne eine solche Bereitschaft wird der deutsche Film im Ausland filmkünstlerisch nicht reüssieren, und im Inland das verlorene Publikum nicht wiedergewinnen.

Ihren Amtsantritt vor einem halben Jahr begreifen wir als Chance für den deutschen Film. Wir hoffen, dass Sie sich im intensiven Austausch mit uns zumindest von der Diagnose der Lage überzeugen lassen. Wir erhoffen von Ihnen kein bloßes „Weiter so!“  Für den deutschen Film wäre dies fatal. Mehr Fortschritt wagen bedeutet auch, mehr Kultur zu wagen.
 
In diesem Sinne bauen wir darauf, dass dieses Schreiben zum Anfang wird für eine bessere Zukunft des deutschen Films! 

Mit optimistischen Grüßen!
Ihre 

Initiative Zukunft Kino+Film