Rettet die Filmkultur! Positionspapier von neun Interessenverbänden zur FFG Novelle 2022

Berlin, den 19. Februar 2020

Die anstehende Novellierung des Filmfördergesetzes (FFG) hat eine filmpolitische Debatte in Gang  gesetzt, die sich in mancherlei Hinsicht von den vorhergehenden unterscheidet. Viele Faktoren lassen  die Forderungen nach grundlegenden Reformen immer lauter vernehmbar werden: Die rückläufigen  Besucher*innenzahlen in den Kinos, die nach wie vor schwache Präsenz deutscher Filme auf  internationalen Festivals und die festgefahrenen Strukturen, die sich in mangelndem künstlerischen  Wagemut und geringer Diversität ausdrücken. Die Frankfurter Positionen zur Zukunft des deutschen  Films, die Gründung des Hauptverbands Cinephilie und des Verbands der immer wichtiger  werdenden Filmfestivals als neue Initiativen sind einige sichtbare Zeichen eines starken gemeinsamen  Wunsches zur Erneuerung.  

Um ihren Forderungen besonderen Nachdruck zu verleihen, haben sich diese neuen Initiativen mit  einigen bestehenden Verbänden zusammengetan und ein gemeinsames Papier verfasst, das wir  Ihnen hiermit vorlegen. Die politischen Positionen betreffen das FFG und gehen bewusst noch  darüber hinaus. Denn wir fordern alle politischen Entscheidungsträger*innen in Bund, Ländern und  den Kommunen auf, jetzt zusammen zu handeln.  
Eine kulturell gestaltende Filmpolitik darf sich nicht in Paragrafendebatten erschöpfen, die alle fünf  Jahre ritualisiert stattfinden. Auf dem Spiel steht heute die Zukunft des Kinos als flächendeckend  verbreitete Kunstform, als eine besondere Art, auf die Welt zu schauen und als Praxis  gemeinschaftlichen Kunsterlebens.  

Um den „konsensorientierten deutschen Gremienfilm” (Edgar Reitz) zugunsten künstlerisch starker und dadurch auch wirtschaftlich ertragreicher neuer Filme aller Längen und Formate zu überwinden,  bedarf es eines größeren Engagements einzelner Förder-Institutionen für die jeweiligen Filme, klarer  Regeln für Diversität und einer sozialverträglichen Entlohnung der Filmschaffenden in allen Bereichen  – nichts anderes als einer Adaption an die gewandelte gesellschaftliche Realität dieses Landes.  

Viele von uns haben ihre Sicht in eigenen Stellungnahmen formuliert.  
Gemeinsam fordern wir als wichtigste Maßnahmen für die Kultur des Kinos – im FFG und darüber  hinaus:

  1. Grundprinzipien der Filmförderung: Chancengleichheit, Diversität und Nachhaltigkeit
    • Wesentliche Stärkung der künstlerischen Kriterien bei der Förderung
    • Vereinheitlichung von Regional- und Bundesförderrichtlinien
    • Überarbeitung der Entscheidungsverfahren und -kriterien sowie der Gremienbesetzung und – rotation im Sinne einer transparenten, diversen, gendergerechten, künstlerischen und  dadurch nachhaltigen Filmförderung
    • Anerkennung höherer Budgets für nach künstlerischen Kriterien geförderte Filme
    • keine Kürzung beantragter Summen, wenn kein Kalkulationsfehler vorliegt
    • Gleiche Bewertung von Festival- und Zuschauer*innenpunkten bei der Berechnung der Schwellenwerte unter Einbeziehung weiterer Festivals und Abspielorte sowie Absenkung der Eingangsschwelle
    • konsequente kulturelle Förderung des Filmnachwuchses, insbesondere durch separaten  Förderetat für Nachwuchsfilme auf Bundesebene
    • Filmbildung unter ästhetischen und filmhistorischen Gesichtspunkten neu denken und fördern
  2. Stärkung der Handlungsfreiheit von Filmschaffenden, Produzent*innen, Verleiher*innen, Kinobetreiber*innen und Festivalmacher*innen mit Fokus auf künstlerischen Film, Diversität und Nachhaltigkeit
    • Erarbeitung klarer und umfassender Standards für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen in  der Filmwirtschaft und deren Verankerung im FFG
    • Abschaffung der Deckelung der Regiegagen bei Mehrfachbetätigung, um die umfangreiche  künstlerische Arbeit gerade bei kleinen Projekten angemessen zu honorieren
    • Entwicklungsförderung von Filmen deutlich stärken
    • Eigenanteil bei der Produktionsförderung abschaffen
    • HUs in der Produktionsförderung auf internationale Standards von mindestens 10% anheben
    • Abschaffung der Beteiligung eines Fernsehsenders als De-facto-Voraussetzung für die Beantragung von Filmförderung und dadurch Stärkung einer von Senderbeteiligungen  unabhängigen Filmförderung; gleichzeitig Einführung einer Ankaufsverpflichtung für Sender
    • Erlösbeteiligung der Produzent*innen spätestens zeitgleich zur Rückzahlung der  Verleihförderung
    • Festschreibung kultureller Kriterien wie z.B. Festivalerfolgen für die Vergabe von Verleih- und Vertriebsförderung
    • Senkung des Eigenanteils und Einführung einer Obergrenze von Verleih- und  Vertriebsförderung, um Chancengleichheit in der Auswertung zu erzielen
    •  Anerkennung von Personalkosten und HUs von Verleiher*innen und Vertrieben
    • Verleih- und Vertriebsförderung bis zu 50.000 Euro als Zuschüsse gewähren
    • Zugang zur Verleihförderung auch für in der Produktion nicht geförderte Projekte
    • Aufhebung der Verleihverpflichtung beim DFFF unter Ausschluss reiner TV-Produktionen
    • Entwicklung von Modellen für eine strukturelle Förderung vorrangig kulturell arbeitender Produktionsfirmen / Verleihfirmen / Kinos / Festivals im Sinne von Chancengleichheit, Diversität und Nachhaltigkeit

Es unterzeichnen: 

AG Dok 
AG Filmfestivals 
AG Kurzfilm 
Bundesverband kommunale Filmarbeit 
Bundesverband Regie 
Crew United 
Hauptverband Cinephilie 
Verband der deutschen Filmkritik 
Zukunft deutscher Film