Stellungnahme der Initiative Zukunft Kino+Film zum Referentenentwurf für das Filmförderungsgesetz vom 15.02.2024
Berlin, den 19.03.2024
An die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Frau Kulturstaatsministerin Claudia Roth,
Herrn Ministerialdirektor Dr. Andreas Görgen,
Herrn Ministerialrat Dr. Jan-Ole Püschel,
Herrn Dr. Frank Castenholz,
Frau Ulrike Schauz
An die Filmförderungsanstalt FFA
Herrn Präsident Prof. Dr. h.c. Bernd Neumann,
Herrn Vorstand Peter Dinges,
vielen Dank für die Gelegenheit, zum Referentenentwurf und den weiteren geplanten Gesetzen zur Neuordnung der deutschen Filmförderung Stellung zu nehmen. Da uns wesentliche Elemente der Reform der Filmförderung noch nicht vorliegen, so zum Beispiel die Richtlinien zur selektiven kulturellen Filmförderung aus BKM-Mitteln oder die angekündigte gemeinsame Talentförderung von Bund und Ländern, beschränken wir uns auf einige uns wichtige Punkte.
Grundsätzlich begrüßen wir das Drei-Säulen-Modell aus FFG, Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung sowie die geplante bürokratische Zentralisierung und Vereinfachung der Filmförderung innerhalb einer neu aufgestellten FFA. Es ist entscheidend, dass diese Elemente in Kombination mit einer finanziell gut ausgestatteten, ebenfalls novellierten selektiven Filmförderung der BKM zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
§ 2 Absatz 8 – Abstimmung zwischen Bund und Ländern
Wir hoffen in diesem Zusammenhang, dass auch die beabsichtigte Harmonisierung von Bundes- und Länderförderungen und die Schaffung eines einheitlichen Einreichportals als wesentliche Elemente der Filmförderungsreform bis zum Inkrafttreten des neuen FFG umgesetzt werden können. Diese Elemente sind zentral, um Förderabläufe entscheidend zu beschleunigen und bspw. die in der Stellungnahme von AG Dok, PA, PV und DFA geforderte maximale Dauer der Schlusskostenprüfung von drei Monaten zu gewährleisten. Fördernehmer:innen können so von unverhältnismäßig langen Laufzeiten in der Administration und dadurch notwendigen, kostspieligen Zwischenfinanzierungen entlastet werden.
§ 2 Absatz 3 – Deutsches Filmerbe
Hier möchten wir hinzufügen, dass nicht nur die Digitalisierung zum Zweck der Erhaltung und Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes, sondern auch die Sichtbarmachung des aufwendig digitalisierten Filmerbes unterstützt werden muss.
§ 6 Absatz 1 – Zusammensetzung Verwaltungsrat
Dass der Verwaltungsrat der FFA über wesentliche Aspekte, die heute noch im FFG geregelt sind, in Zukunft per Richtlinie selbst entscheiden können wird, unterstützen wir, fordern aber ausdrücklich, dass mehr Vertreter:innen aus Verbänden der Kreativen und der Urheber:innen in ihm vertreten sein müssen.
Die Anerkennung der wachsenden Bedeutung von Filmfestivals durch die Aufnahme der AG Filmfestival in den Verwaltungsrat begrüßen wir, weisen aber darauf hin, dass es immer noch an Vertreter:innen für die Sparten Talent- und Nachwuchsfilm, Kinderfilm und Animationsfilm fehlt. Dies steht für uns im Widerspruch zu den Bemühungen um Vielfalt. Mit Vielfalt meinen wir nicht nur eine Vielfalt der Herkünfte der beteiligten Menschen vor und hinter der Kamera. Vielfalt bemisst sich ebenso danach, dass in den Gremien der Filmförderung möglichst viele Formate, Gattungen und Ästhetiken durch geeignete Vertreter:innen repräsentiert werden. Diese Dimension von Vielfalt sehen wir weder in der alten noch in der zukünftigen Zusammensetzung des Verwaltungsrats ausreichend umgesetzt.
§ 40 Absatz 3 – Definition Talentfilm
Den Vorschlag aus den Stellungnahmen der AG Dok, PA, PV, DFA sowie des „Forums Talentfilm“, den Begriff Nachwuchs- und Talentfilm weiter zu fassen und auch Drehbuchautor:innen und Produzent:innen in die Nachwuchs- und Talentfilm-Definition einzubeziehen, unterstützen wir. Den Umkehrschluss, als Talent- und Nachwuchsfilm nur solche Filme zu verstehen, die mindestens zwei der Positionen Buch, Regie, Produktion mit Talenten besetzen, halten wir jedoch für problematisch. Denn damit werden Filme, deren Regisseur:in unter diese Definition fällt, deren Autor:in und Produzent:in jedoch erfahrener sind, von der Nachwuchs- und Talentfilmförderung ausgeschlossen, obwohl gerade die ersten Filme der Regie als Talent- und Nachwuchsfilme gefördert werden müssen. Hier bedarf es einer Präzisierung.
Vor allem in der Etablierung eines eigenen neuen Debüt-Formats im Animationsfilm von mindestens 24 Minuten Länge sehen wir die Chance, endlich auch den Animations-Talenten eine Möglichkeit anzubieten, sich weiterzuentwickeln. Der Animations-Langfilm mit seinem sehr hohen Finanzierungsbedarf ist zu den im Nachwuchs-Bereich üblichen niedrigen Budgets nicht realisierbar, so dass hier eine organische Entwicklung vom kurzen ins lange Format, wie wir es beim Realfilm-Nachwuchs kennen, nicht stattfindet. Das neue Format sollte langfristig in allen Institutionen auf Bundes- und Länderebene etabliert werden und für Animations-Talente unter den gleichen Konditionen zugänglich sein wie das klassische Langfilm-Debüt für Realfilmtalente.
§ 40 Absatz X – Definition Mittellanger Film
Wir regen an, den „Mittellangen Film“ in die Begriffsbestimmungen aufzunehmen. Er existiert und sollte daher nicht nur wie in § 61 als Abweichung vom programmfüllenden Film definiert sein. Der Mittellange Film muss endlich eine Chance erhalten, an der Filmförderung, insbesondere der Referenzfilmförderung, zu partizipieren. Seine explizite Definition in § 40 wäre hierfür ein erster Schritt.
§ 53 Absatz 2 – Übertragung von Fördermitteln
Grundsätzlich begrüßen wir die Möglichkeit, Referenzmittel zu übertragen, wünschen uns aber, dass näher definiert wird, was als „berechtigter Grund für die Übertragung“ anerkannt wird.
§ 63 Absatz 2 – Festivallisten
Mit dem Wegfall der selektiven FFA-Produktionsförderung und der kompletten Umstellung auf das automatische Referenzförderungssystem nimmt nicht nur die Bedeutung des Publikumserfolgs, sondern auch die der Festivals zu, bei denen ein Film mit seiner Teilnahme Referenzpunkte generieren kann. Auch hier sehen wir einen großen Nachholbedarf, dem Anspruch an Vielfalt gerecht zu werden. Für Referenzfilmfestivals gibt es im jetzigen System nur drei Listen: eine allgemeine Festivalliste und zwei spezifische für den Dokumentar- bzw. den Kinderfilm. Wir fordern, auch hier die Sparten Talent- und Nachwuchsfilm und Animationsfilm endlich mit eigenen Listen zu berücksichtigen und den Wortlaut des Referentenwurfs an dieser Stelle wie folgt zu erweitern:
(2) Der Verwaltungsrat legt die relevanten Festivals und Preise durch Richtlinie fest. Dabei ist neben deren kulturellen Bedeutung auch ihrer Werbewirkung für den Zuschauererfolg im Inland und für den Auslandsabsatz angemessen Rechnung zu tragen. Neben einer allgemeinen Festivalliste sind separate Festivallisten für den Kinderfilm, den Dokumentarfilm, den Animationsfilm und den Nachwuchs- und Talentfilm festzulegen. Zu jedem Festival sind die Wettbewerbe bzw. Preise zu benennen, die für die Vergabe von Referenzpunkten relevant sind.
Darüber hinaus sollte nicht nur durch diese zusätzlichen Listen die Vielfalt des Filmschaffens besser als bisher im Referenzförderungssystem abgebildet werden. Auch insgesamt sollte die Anzahl der Festivals und Wettbewerbe und damit die Chance, Referenzpunkte auf diesem Weg zu erwerben, deutlich erhöht werden. Die drei derzeit für programmfüllende Filme vorhandenen Listen beinhalten lediglich 19 Festivals, bei denen nur die Teilnahme am Hauptwettbewerb zählt. Die Liste für Kurzfilme, die alle Sparten abbildet, umfasst hingegen allein 30 Festivals mit über 60 Wettbewerben.
Die oben genannten Maßnahmen wären dazu geeignet, den bisher sehr geringen Anteil der Festival-basierten Referenzfilmförderung zu erhöhen, sie kämen damit vor allem jenen Produzent:innen und Verleihfirmen zugute, die sich dem künstlerisch anspruchsvollen Film verschrieben haben.
§ 76 Absatz 4 – Eigenleistungen des Herstellers /der Herstellerin
Die Definition von Eigenleistungen ist für Autor:innenfilme sehr eng gefasst. Sie sollte mindestens um die Position der Montage / des Filmschnitts erweitert werden, da der Schnitt häufig in Personalunion mit Regie, Buch und Produktion umgesetzt wird.
Darüber hinaus ist die aktuelle Definition ein typisches Beispiel für eine Regelung, die sich an den Gegebenheiten des Realfilms orientiert. Hier braucht es einen Ausgleich für den Animationsfilm, bei dem abhängig von der angewendeten Animationstechnik z.B. die Position „Kamera“ sehr häufig nicht existiert. In Animationsfilmen gibt es auch keine Hauptrolle wie beim Realfilm. Wenn überhaupt, gibt es bestenfalls Sprecher:innen von Hauptrollen, deren rückstellbare Gage aber naturgemäß nur einen Bruchteil einer normalen Schauspieler:innen-Gage beträgt. Da die Animation viele verschiedene Techniken beinhaltet, empfehlen wir eine entsprechende Ergänzung, die für Animationsfilmprojekte die Anerkennung anderer Leistungen der Herstellenden in vergleichbarem Umfang vorsieht.
§ 79 Ökologische Nachhaltigkeit
Grundsätzlich begrüßen wir die Einführung ökologischer Standards für Filmproduktionen. Allerdings schließen wir uns der Forderung anderer Verbände an, die konkreten Kontrollmechanismen zur ökologischen Nachhaltigkeit über flexiblere Richtlinien zu regeln, denn die aktuelle Regelung des CO2-Nachweises halten wir für unausgereift. Zur Ausgestaltung entsprechender Richtlinien empfehlen wir daher Folgendes zu berücksichtigen:
- Zur Antragstellung sollte eine Selbstverpflichtung ausreichen, um Zeitaufwand und Vorkosten der Fördernehmer:innen nicht unnötig in die Höhe zu treiben.
- CO2-Kalkulation und Green Consultant dürfen frühestens bei Förderzusage verpflichtend werden. Vorher verursachen sie nur unnötigen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Zum Beispiel kann sich der Ort des Drehs im Laufe der Finanzierung unter Einbeziehung von Regionalförderungen noch verändern, oder das Drehbuch muss den tatsächlichen Finanzierungsmöglichkeiten angepasst werden. Die entsprechende CO2-Kalkulation muss dann komplett neu erstellt werden.
- Der vorgeschriebene CO2-Rechner muss auf Realitätsnähe überprüft und deutlich vereinfacht werden. Insbesondere für dokumentarische und experimentelle Filmproduktionen sowie für Kurzfilme ist der offiziell anerkannte Rechner weder funktional noch finanziell noch vom Arbeitsaufwand her angemessen. Für Animationsfilme ist er leider komplett ungeeignet.
Darüber hinaus lehnen wir die derzeitige Praxis ab, für die Ermittlung des CO2-Ausstoßes den CO2-Rechner der Firma KlimAktiv gGmbH vorzuschreiben, weil dieser, obwohl mit staatlichen Mitteln entwickelt, seit November 2023 nur noch kostenpflichtig zur Verfügung steht. Wir halten generell die Verpflichtung, einen bestimmten kommerziellen Anbieter zu verwenden, für fragwürdig, da hierdurch ein Monopol geschaffen wird.
§ 113 Förderhilfen – Kinoförderung (ehem. § 134 Absatz 6)
Es ist uns wichtig zu betonen, dass wir den Kurzfilm in allen Bereichen der neuen Förderstruktur berücksichtigt wissen wollen. Obwohl deutsche Kurzfilme durch ihren internationalen Erfolg maßgeblich zur Reputation des deutschen Films beitragen, spiegelt sich dies nicht auf der Förderebene wider. Die Streichung der in diesem Kontext so wichtigen Förderung zur Aufführung von Kurzfilmen im Kino (Kinoprojektförderung) würde dieses Ungleichgewicht noch verschärfen. Wir fordern deshalb den Erhalt der Abspielförderung der Kinos zur Aufführung von Kurzfilmen als Vorfilm im Kino und von originären Kurzfilmprogrammen im Kino und plädieren darüber hinaus für den gleichberechtigten Zugang des Kurzfilms zu allen Bereichen (Entwicklung, Produktion, Verleih) der Filmförderung.
Soweit unsere derzeitigen Anmerkungen, die wir gern auch im persönlichen Gespräch erläutern und ergänzen.
Die Initiative Zukunft Kino+Film